Prunkvoll tafeln

Prunkvoll tafeln

Tief im Keller des Museums Ratingen stehen ein paar große Kisten, in denen das sogenannte Prunkgeschirr verstaut ist. Dieser Begriff steht im Lexikon als erste Erklärung für reich geschmücktes Zaumzeug für Kaltblüter, aber in Ratingen ist es ein tatsächliches Geschirr, das Mitte der 90er Jahre von Künstlerhand für das Museum gefertigt worden ist.

Da, wo in zierlichen Vitrinen des Porzellankünstlers Johann Peter Melchiors feinsinnige Tafelaufsätze Kunstkenner in Begeisterung versetzen – da sollte auch ein solches Geschirr mit allem Drum und Dran für 50 Personen als zeitgenössische Antwort vorhanden sein. Dachte sich damals Museumsleiterin Dr. Ursula Mildner. Es wurde Geld gesammelt, denn die Düsseldorfer Künstlergruppe „Die Langheimer“ sollte das Geschirr kreieren. Die Freunde und Förderer des Museums waren dann diejenigen, die am massivsten um Spenden trommelten. Aus dem über Jahre mühsam zusammengesparten Ankaufsetat des Museums, aus Mitteln des Fördervereins, Spenden aus der Ratinger Bevölkerung, nicht zuletzt aber dank einer großzügigen Gabe der Kulturstiftung der Deutschen Bank konnte das Vorhaben und die erforderliche fünfstellige Summe finanziert werden.
Drum und Dran bedeutet, dass hier nicht nur 50erlei große Platzteller aus irdenem Scherben hergestellt werden sollten, sondern auch mancherlei Figuren und eher grobschlächtige Gefäße. Und nun wurde an einem Abend im Juni vom Förderverein für zahlende Gäste aufgetischt, und zwar inmitten der aktuellen Ausstellung von Ulrike Zilly, die als Mitglied der Langheimer am Geschirr mitgearbeitet hatte.

Dr. Marie-Luise Otten, die langjährige Vorsitzende und nun Ehrenvorsitzende des Freundeskreises, gab einen Jahrhunderte übergreifenden Blick aufs Tafeln und Essen, vergaß aber auch die Gegenwart nicht: „Wir tafeln heute stilvoll vom Prunkgeschirr der Düsseldorfer Künstlergruppe „Die Langheimer“, zu der neben Ulrike Zilly auch Robert Hartmann und Werner Reuber gehören. In dem zwischen 1995 und 1997 entstandenen Geschirr haben wir ein Werk von bizarrem Formenreichtum und erzählerischer Ausgelassenheit vor uns.“ Noch vor etwa zwei Generationen war es im Bürgertum durchaus üblich, neben dem eher simplen Alltagsgeschirr noch eins für Sonntage und Feste vorzuhalten. In der Regel hatte dieses Geschirr einen Goldrand, der heute nicht in die Mikrowelle dürfte und sich in der Spülmaschine in nichts auflösen würde.
„Die teilweise hochkultivierten Tischsitten der Antike waren“, so führte Dr. Marie-Luise Otten aus, „in Vergessenheit geraten. Flache, aufgeschnittene Brotleibe dienten als Teller, gegessen wurde mit den Fingern, selten gab es Löffel oder Messer. Die eigene Kleidung diente nach dem Essen dem Säubern der Finger, und zwar bei Bauern und Adeligen gleichermaßen“. Das Mittelalter war auch eine Zeit der kultivierten Minnesänger, der Wissenschaft und Forschung und der ersten Benimmregeln, die - wie könnte es anders sein - mit der Zulassung der Frauen bei Tisch seit dem 11. Jahrhundert einhergingen.
Das Prunkgeschirr der Langheimer mit seinen erzählerischen Szenen auf den Platztellern, den deftigen, burlesken tafelaufsatzähnlichen Figuren und den zu allerlei Tischgerät umfunktionierten ländlich heiteren Szenerien, das in Ratingen auf den Museumstisch kam, ist eine Art Gesamtkunstwerk und fügt sich damit in die Tradition der barocken Tischkultur, für die im Museum Ratingen die Kunst des Porzellanbildners Johann Peter Melchiors steht.

9. Juli 2016
Gabriele Hannen

 

Fotos der Veranstaltung