„Geben Sie mir bitte eine Maiwiesenkonserve“

„Geben Sie mir bitte eine Maiwiesenkonserve“

Die „Karawane“ war zu Gast im Museum Ratingen. Die freie Theatergruppe aus Düsseldorf zeigte „Von Mund zu Ohr – eine UmJandlung“ als wirksame Theatergestaltung. Gleich zu Beginn irritierten Bühne und Zuschauerraum durch ungewohntes Dunkel, bis die Stimme aus dem Off kam: „Die Vorstellung beginnt in einer Minute.“ Dann wurden 36 ausgewählte Jandl-Sprechgedichte von einer Schauspielerin, drei Schauspielern und einem Musiker durch Sprache, Mimik, Gestik, Gesang und Musik zu einer einzigartigen Performance dargeboten. Ernst Jandls innovatives Spielen mit Sprache wurde oftmals in radikaler Weise zum Ausdruck gebracht. So formte Jandl Poesie mit Witz und ungeheurem Ernst. Zwei „visuelle Gedichte“ verführten den Zuschauer zum „Mitformen“, „1944-1945“ verlangte Konzentration und Emotion, „Der Schnitter“ führte zu Überraschung, „Ich erinnere mich dunkel“ im stereotypen Vortrag wies auf einen Mann hin, „Ottos Mops“ kotzte, „Scheiß Tag“ erinnerte an die Zukunft. „Lautspiele“ zwischen Klarinette und Darsteller ließen eine menschliche Schlange zischen. Hautnahes Erleben von Stimmen und Körper ermöglichte auch übertragbare Aussagen auf heutige Situationen.
Rudi Rölleke, begeisterter Regisseur und Akteur, trat zum Schluss mit den folgenden Worten vor sein begeistert applaudierendes Publikum: „Von Jandl können wir nicht lassen; wir spielen im Knast, wir spielen für Blinde, wir spielen im LUX auf einer dreieckigen Bühne. Hier ist es schön. Wir kommen gerne wieder. Danke.“ Selten sind so lange Intensivgespräche zwischen Schauspielern/Künstlern und Museumsgästen/Publikum geführt worden.

Die Freunde und Förderer des Museums Ratingen und das Museum luden ein zu Wein, Wasser und köstlichem Fingerfood. So fanden sich spontane Gesprächsanlässe zu den humorigen Seiten des Diesseits als auch Gedanken zum Jenseits, um die Ganzheit des Lebens zu umfassen. „Witzige, tiefsinnige Wortspiele, großartig inszeniert, lassen den Meisters der Wortakrobatik lebendig werden.“ „Die Texte treffen unheimlich gut die eigene Wahrnehmung. Ich erkenne mich wieder.“ So empfanden begeisterte Gäste. Und es gibt sie, die der „Karawane“ seit Jahren folgen und es gibt ihn, der durch Jandl an diesem Abend zum „Jandln“ kam. Auch die Schauspieler hielten mit Begeisterung nicht zurück. So verriet Philipp mit der neongrünen Krawatte: „Seit acht Jahren spiele ich, entdecke bei jeder Jandlaufführung etwas Neues; das Verständnis wird größer; früher war es DADA, jetzt bekommt vieles mehr Sinn.“

Das Drehbuch wird gemeinsam erarbeitet und immer aktualisiert. Ein halbes Jahr braucht die Gruppe, deren Mitglieder alle einem Beruf nachgehen, um Stücke einzustudieren. Auch das Ausland weiß ihre Arbeit zu schätzen. So wurde Ursula Burg 2003 in Kanada als beste Schauspielerin geehrt. Vier Produktionen sind für sie abrufbar. Lautlose Bewegungen sowie Schweigen im Einklang zu erzielen, das gilt es unter anderem zu erreichen.

Zum Schluss zitierte der Schauspieler im rotweißen Shirt: „Wir sind Menschen auf den Wiesen, bald sind wir Menschen unter den Wiesen und werden Wiesen und werden Wald. Das wird ein heiterer Landaufenthalt.“


25. April 2016
Christa Baunach-Schlüter